[Artikelbild: HANS-UELI vom „Swisscross.help“-Team gibt einem geborgenen Flüchtlings-Gummiboot den Garaus.]
Wieder einmal ist Tagesschicht. Mein ‚Ziel‘ ist es, die übermütigen, vor Energie strotzenden Süddeutschen – ANDY, HANNES und JULIAN, zusammen mit dem Dortmunder MARTIN – müde zu sehen. So schalten wir – noch von DANIELLE (CH) und HANS-UELI (CH) begleitet – einen kräftezehrenden Küstenaufräumtag auf Korakas ein, beim Leuchtturm am nordöstlichsten Spitz von Lesbos.
Wir erleben auf der Hinfahrt nicht nur unseren ersten griechischen Schnee. Gewisse Strassenbereiche sind sogar mit dickem Eis bedeckt. Ein windiger Eistag erwartet uns.
Bis Ende 2015 kamen auf Lesbos eine halbe Million – 500’000 (!) – Flüchtlinge übers Meer an. Das heisst, es strandeten um die 10’000 (!) Boote an der Inselküste. Das Ergebnis dieses Irrsinns ist immer noch an vielen Orten zu sehen, trotz ständigen Aufräumbemühungen von Einheimischen und vor allem von Volunteers: Schwarze Küsten, nicht von einer Ölkatastrophe herrührend, nein, aber von einer anderen Katastrophe: einer des Denkens. – Die Gewährung einer sicheren Überfahrt – SAFE PASSAGE! – und die Küsten wären sauber, die Mafia ohne Schlepperanreiz, die Korruption ohne Nährlösung und vor allem dies: die Flüchtlinge mit Recht auf einen Asylantrag an Leib und Seele unversehrt. … Mit dem Ergebnis, dass wohl gleichviel Menschen in Europa Asyl beantragen wie heute mit der Politik der europäischen Festung, die nicht hält.
Einige der 10’000 Boote führen wir ihrem Ende zu. DANIELLE, ANDY, HANNES, JULIAN und MARTIN kümmern sich ums ‚Filettieren‘ der Boote bzw. fürs Loslösen dieser von den Felsen, sodass HANS-UELI, JORGE (ESP) aus MATT Llewelinn’s Nordost-Volunteer-Gruppe und ich die Boote mit unserem Jeep am Seil hochziehen können. (Nicht ohne Folgen: Ich ruiniere mir dabei mein linkes Knie.)
Zuerst sind’s Teile von Booten, die wir soweit bergen, dass man sie auf dem Landweg abtransportieren kann. Doch dann gehen wir aufs Ganze. „Jimmy“, unser Jeep, wird herausgefordert, … und er erfüllt seinen Zweck, wie folgendes Foto beweist.
Doch KESTER von MATT’s Truppe macht uns auf ein anderes Problem aufmerksam: Der Motor des am 8. Dezember 2015 angelandeten Fischerbootes (siehe „BOOTSALARM! – Happy (?) Landing„), das verbunden war mit einer schwierigen Bergung der Flüchtlinge.
Zur Erinnerung:
Das Boot musste weg! Das ging nur durch Zerlegen. Verschiedene Leute aus MATT’s Team legten Hand an. Darunter war auch HEKLA – das „Christkindl“ vom Weihnachtsblog: „MERRY CHRISTMAS – Part II“. Auf folgendem Bild (von ARNAM Sinha am 30. Dezember 2015 auf Facebook geposted) sieht man die Isländerin in etwas anderer Pose:
Doch eines schafft auch die ‚Wikingerfrau‘ HEKLA nicht: Der ungemein schwere Motor des Fischerboots bleibt im Wasser zurück. Das Werk ist unvollendet. KESTER rüstet uns mit belastbareren Zugseilen aus, die wir zusammenknüpfen. Wir zweifeln am Unterfangen, verbinden aber trotzdem den Motor mit unserem „Jimmy“.
So geht das noch drei- bis viermal. Ob nun Spanier, Deutscher oder Schweizer – alles Sturköpfe, die nicht klein beigeben wollen. Das wär doch gelacht … so ein ‚Motörchen‘!
So ist es hier auf Lesbos. Es sind auch die kleinen Dinge, die kleinen Freuden, die unseren nicht alltäglichen Aufenthalt immer wieder aufzuhellen vermögen.
Ich möchte mit aller Deutlichkeit festhalten, dass meine Wenigkeit die Tauglichkeit von „Jimmy“ als Zugfahrzeug nachgewiesen habe 🙂 🙂 🙂
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Ha! „UELI, der Wilde“, ich weiss. Aber dieser Motor war echt ne harte Nuss! Du hättest Freude daran gehabt.
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Nüsse sind zum Knacken da. Keep up the fantastic work 🙂
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Eine unglaubliche Arbeit leistet ihr vor Ort. Ich verfolge die Situation auf Lesbos seit längerer Zeit. Durch Deine Berichte kann ich mir ein sehr viel besseres Bild machen, eines , dass bisher kein Tv-Beitrag vermitteln konnte.
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Ich habe wirklich alle Hochachtung für Eure Einsätze: Aber wenn bei Berichten darüber nur schon zwischen den Zeilen ein bisschen Egomanie und Selbstlob durchschimmert, werde ich misstrauisch.
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Die Einschätzung „Selbstlob“, gar „Egomanie“ wirkt hübsch, hier unten. Wir machen hier einfach das, was zu tun ist. Wir denken kaum an uns, weil das zu Machende unseren „Alltag“ definiert. Und wenn dabei etwas gelingt, ein Boot sicher ans Ufer zu geleiten, oder auch nur ein Bootsmotor zu bergen, dann leisten wir uns unsere „kleinen Freuden“. Als Blogautor versuche ich, auf verschiedenen Ebenen das Geschehene oder Nicht-Geschehene wiederzugeben und zu reflektieren. Ohne Selbst-Motivation, verbunden mit Selbstreferenzierung im Kontext zum Ganzen der Migrationskrise geht’s nicht.
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Born to be wild heist es doch. Beste Grüsse
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